Warum überhaupt Videos schneiden?
Kein Mensch kann Videos – auch ein Profi normalerweise nicht – in der Reihenfolge aufnehmen, in der man sie später einem auch nur halbwegs nüchternen Publikum zumutbar vorführen kann. Gründe hierfür sind etwa:
- Beim Schwenk über ein eindrucksvolles Bergpanorama, schiebt sich plötzlich der nette Herr mit dem nach oben geklapptenSonnenschutz-Brillenvorsatz ins Bild und schaut fassungslos ins Objektiv. Der Schwenk wird also wiederholt.
- Das Video soll mit einem Sonnenuntergang enden. Was aber, wenn es am letzten Abend regnet?
- Ein Hochzeitsvideo beginnt – vielleicht -(Diskretion natürlich immer wahrend) mit dem Ankleiden der Braut. – Glauben Sie wirklich, Sie wären in der allgemeinen Hektik vor der Hochzeit hier mit Ihrer Kamera willkommen?
- Sie wollen Ihren Hausbau dokumentieren. Dummerweise wird zwischen Rohbau und Richtfest Ihr Sohn eingeschult. Wollen Sie wirklich auf diese Bilder verzichten?
- Mopsi macht immer Männchen, nur nicht, wenn man mit der Kamera auf ihn zielt.
- Ihre Schwiegermutter fällt beim Gartenfest in die Bowle. Sie halten drauf mit der Kamera! Hinterher überlegen Sie sich aber, dass das der ohnehin angespannten Beziehung nicht förderlich ist, diesen Clip im Familienkreis zu zeigen.
Kino- und Fernsehfilme werden allein schon aus Kostengründen in einer wilden Mischung aufgezeichnet und dann erst im Schnitt verarbeitet. Deswegen hat auch der Held nach all den Strapazen der letzten zehn Minuten – wenn der Requisiteur nicht aufpasst – ein sauberes Hemd an als vorher. Gründe für einen Videoschnitt gibt es viele. Das Schneiden ist und bleibt elementarer Bestandteil des Hobbys „Filmen“. Wenn Sie dazu partout keine Lust aufbringen, sollten Sie vielleicht doch lieber fotografieren.
Zum Schneiden gehört:
- Das Kürzen, Neuanordnen und ganz generell das Ausmisten des aufgenommenen Rohmaterials.
- Das Hinterlegen der arrangierten Films mit Hintergrundmusik und Geräuschen
- Das Hinzufügen von Titel und Abspann
- Das (sparsame!) Hinzufügen von Spezialeffekten und Schnitten
- Das Aufsprechen von Kommentaren
Ganz früher, als Video noch analog war, da benötigte man für diese Aufgaben zwei Videorecorder, oder einen Recorder und eine Kamera. Dann wurde das Band so lange vor gespult, bis man eine passende Szene gefunden hatte. Nun konnte der zweite Recorder die Aufnahme aufzeichnen. Dann ging die Spulerei mit der nächsten Szene weiter. Weil das richtig viel Arbeit machte, wurden sehr viele ungeschnittene Videos gezeigt, unterlegt von live gesprochenen Kommentaren wie:
„Das ist jetzt nicht so gelungen, weil da gleich – aber das seht Ihr ja selbst. Aber das kommt auch gleich nochmal…“
Dazu kam das Problem, dass durch das Überspielen die Qualität des Videos sehr gelitten hat. Wenn das doch jemand gemacht hat, dann nannte man dieses Verfahren „Lineares Schneiden“ oder, in neudeutsch „Linear Editing“. Weil das arg nervig ist, und inzwischen ohnehin von der Zeit überholt ist, wollen wir und hier nicht weiter damit beschäftigen.
„Non Linear Editing“ ist ein Kind des Computerzeitalters. Wir nehmen den ganzen Krempel, den wir aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen meinten, auf Kassette festhalten zu müssen und überspielen das Ganze erst einmal auf den Computer. Weil die Kameras, mit denen wir uns hier beschäftigen, alles ohnehin digital aufgenommen haben, passiert das Ganze ohne Qualitätsverlust. Diesen Vorgang nennt man „Capturen“, ein Begriff, mit dem die Engländer das Einfangen wilder Tiere für den Zoo oder das Übertragen vom Geburtstagsvideo auf die Festplatte bezeichnen. Sie benötigen etwa 13 Gigabyte an Festplattenspeicher für eine Stunde Videoband.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Damit das Capturen funktioniert, hilft es, wenn man sich überlegt wie der Vorgang abläuft. Das Band spielt also das Video, und der Computer schreibt das Signal auf die Festplatte. Haben Sie schon einmal versucht, eine Bandansage abzuschreiben? Etwa eine Telefonnummer auf dem Anrufbeantworter? Dann ist Ihnen auch klar, dass man schnell sein muss. Wenn man aus dem Takt kommt, ist die Nummer durch, und man hat von der Nummer nur ein paar Ziffern auf dem Zettel. Aber welche Ziffern fehlen eigentlich?
So ist das auch beim Capturen. Wenn der Computer Probleme hat, die Filmdaten schnell genug auf die Festplatte zu schreiben, dann fehlen halt Bilder im Video und die Bewegungen werden holperig. Man nennt das „Lost Frames“, damit die Engländer uns auch verstehen.
Dann fängt man also wieder von vorn an und hofft, dass der Computer diesmal schneller ist. Als das Hobby mit dem digitalen Video anfing, bezahlbar zu werden, damals zu Ende des letzten Jahrtausends, da musste man seinen Computer mit sehr viel Sorgfalt zusammenstellen, damit er überhaupt diese erforderliche Geschwindigkeit über den geforderten Zeitraum von bis zu 60 Minuten einhielt. Heute ist ein aktueller Wald-und-Wiesen-PC durch die Bank „videotauglich“. Dennoch kann man durch falsches Herangehen auch heute noch in den „Genuss“ von „Lost Frames“ kommen. Vermeiden Sie also während Sie ihr Video capturen alles, was den Computer belastet. Das könnte z.B. ein Virenscanner sein, der im Hintergrund läuft. Andere Programme, die Sie noch nicht geschlossen haben, eine offene Internet-Verbindung, der Einsatz des PC als Musikbox beim Capturen…
Wenn Sie das Rohmaterial von der Kamera auf den PC übertragen haben, ist die Geschwindigkeit nicht mehr so wichtig. Wenn dann im Hintergrund andere Programme laufen, strapaziert das im ungünstigsten Fall nur Ihre Geduld beim Berechnen von Videoeffekten, aber es gehen keine Bilder mehr verloren. Nur beim Datentransfer von der Kassette zum PC und eventuell des geschnittenen Films zurück auf die Kassette, ist eine konstant hohe Geschwindigkeit erforderlich. Um diesen Datenstrom von der Kamera in den PC zu leiten, haben Apple und Sony ein spezielles Kabel (mit der dazugehörigen Elektronik)
entworfen – Firewire.
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Apple nennt dieses Kabel Firewire, bei Sony heißt es iLink. Es sind lediglich zwei Namen für dieselbe Sache. Umdas Ganze noch weiter zu verwirren, nennen viele dasselbe Kabel auch
IEEE 1394. Was aber wiederum nur der Name der technischen Norm
für dasselbe Kabel ist. Also nicht verwirren lassen. |
Dieses Kabel wird nun auf der einen Seite in die Kamera gesteckt. (Dort steht am Gehäuse meist die Bezeichnung „DV-Out“. Die Andere Seite des Kabels kommt in die entsprechende Buchse am PC. Wenn Ihr PC keine solche Schnittstelle hat, kann man das leicht und preiswert nachrüsten. |
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Ein Firewire-Kabel gibt es mit einem sechs poligen Stecker und mit einer vierpoligen Variante. Meist benötigen Kameras die vierpolige Version, ein PC will meist den sechs poligen Stecker. Deswegen benötigen Sie fast immer ein 4/6-Kabel für das Capturen von Videos. Ob Sie das Kabel nun bei Sony, Apple oder von einem anderen Computerzubehör-Lieferanten erwerben, spielt für die Qualität des Videos überhaupt keine Rolle.
Inzwischen sind auch einige Video-Kameras mit der so genannten USB-Schnittstelle auf dem Markt. Ich persönlich halte von dieser „Neuerung“ nichts, denn USB reagiert – technisch bedingt – viel empfindlicher auf die Auslastung eines PC als die Durchsatz starke Firewire-Schnittstelle. Eine Fernsteuerung der Kamera wird ebenfalls noch nicht unterstützt. Der einzige Pluspunkt, der für USB spricht, ist, dass diese Schnittstelle für den Hersteller der Kamera preisgünstiger zu realisieren ist.
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Sobald Sie beide Geräte mit dem Kabel verbunden haben, stellen Sie die Kamera in den Abspielmodus, ohne auf „Play“ zu drücken. Auf dem PC kommt nun das Videoschnittprogramm zum Einsatz. Dort stellen Sie ein, wohin Sie
die Videodaten speichern wollen und starten den Capture-Vorgang. Von nun an steuert der PC ihre Kamera.
Das Video wird entweder als eine große Datei auf den PC geschrieben, oder für das spätere Schneiden praktischer, bereits vom Computer in kleine
Datei-Häppchen unterteilt. Für eine Stunde Rohmaterial benötigen Sie übrigens
13 Gigabyte an Festplattenspeicher. |
Ein Programm, das das Capturen und Unterteilen von Videos ganz elegant löst, ist „scenalyzerLive“, das man für derzeit knapp 40 Euro im Internet erwerben kann. Das Programm unterteilt Videodaten bereits beim Capturen nach Aufnahmezeitpunkt in einzelne Dateien und benennt sie auf Wunsch individuell nach Zeit und Datum um. Ich selbst nutze das Programm seit vielen Jahren und freue mich immer, dass ich für den Vorgang des Capturens nicht extra das große, Arbeitsspeicher intensive Videoschnittprogramm starten muss. (scenalyzerLive ersetzt ein solches Schnittprogramm nur bedingt.) Da sich die Software kostenlos ausprobieren lässt – beim Capturen mit der Testversion wird ein Wasserzeichen über das Video gelegt – können Sie leicht selbst austesten, ob das Programm Ihnen zusagt.
Sobald die Dateien auf der Festplatte abgelegt sind, beginnt der kreative Teil des Hobbies. Die Sammlung an Szenen muss gesichtet werden. Die wenigen Stellen, die Sie für vorführwürdig halten, kürzen Sie, so dass die Kernaussage der Szene herausgearbeitet wird. Dann arrangieren Sie die Szenen in einer für den Zuschauer nachvollziehbaren Reihenfolge, etwa ein „Tag im Urlaub auf Mallorca.“ Sie beginnen also mit dem Frühstück, packen die Utensilien für den Strand. Lassen den Zuschauer über den Stand wandern, laden Ihn zum Mittagspicknick ein, lassen ihn einen Blick erhaschen auf die nachmittägliche Kultivierungsphase (Duschgeräusche, Deo-Roller, Nagellack…), nehmen ihn mit zum Buffet und lassen ihn am abendlichen Bummel über die Promenade teilhaben. Mit einem Sonnenuntergang beschließen Sie das Video. Zugegeben, nicht Oskar-verdächtig, aber nachvollziehbar für den Zuschauer!
Schmeißen Sie großzügig alles aus dem Film, was Ihnen nicht wirklich zusagt. Das aufgenommene Material für einen üblichen Abend-Krimi würde sicherlich für einen Fünf-Stunden-Epos reichen. Dass Sie ihn vor dem Fernseher genießen können, liegt auch daran, dass der Regisseur gut mit der Schere umgehen kann und Ihnen nur das Beste vom Besten anbietet. Und hinter Ihrem Werk steckt ein deutlich kleineres Budget, eine deutlich schlechtere Ausrüstung (nicht nur die Kamera, Licht, Mikrofon, Stativ, Kräne, Dollies…) und vor allem viel weniger Erfahrung.
Dafür haben sie Engagement, Ideen und Spaß an der Sache zu bieten, die dem Routinier oft abhanden gekommen sind. Dennoch, versuchen Sie auch bei der einzigartigen und sagenhaften Safari, von der sie mit zehn Kassetten nach Hause zurückkommen, das Material auf maximal zwanzig Minuten richtig packender Szenen einzudampfen. Fünfzehn Minuten wären sogar besser! Wenn Sie nach lediglich einem üblichen Mallorca-Urlaub noch die Aufmerksamkeit Ihrer Zuschauer für zehn Minuten fesseln können sind Sie gut! Und bitte, lassen Sie das Hochzeitsvideo nicht länger werden als die Veranstaltung selbst! Das guckt sich hinterher kein Schwein an, es sei denn er wird zwangsverpflichtet. Das Ganze, auf eine Viertelstunde amüsant zusammengefasst, wird hingegen auch nach Jahren gelegentlich gern mal wieder genossen!
Noch ein Hinweis: Bei den Profis zeichnet sich im Bereich der aktuellen Berichterstattung übrigens gerade ein Wandel weg von den Kassetten zu entweder optischen Datenträgern oder Flash-Speicher ab, die Sie auch in DigiCams finden. Natürlich in gänzlich anderen Kapazitätsgrößen. Der Vorteil liegt auf der Hand: man kann die aufgenommenen Szenen einfach auf den PC kopieren, ohne diese vorher capturen zu müssen. Das geht schneller, denn der Vorgang des Capturens dauert immer so lange, wie das aufgenommene Material lang ist. Eine Kassette von 60 Minuten Länge, benötigt eben auch 60 Minuten, bevor man mit dem Schneiden überhaupt erst anfangen kann.
In der News-Berichterstattung ist das lange! Zudem kann man mit den neuen Datenträgern auch bereits nach der Aufnahme Szenen direkt löschen und so wieder Speicherplatz freigeben. Eine Kamera die Ihnen eine solche Arbeitsweise zu bezahlbaren Preisen gestattet ist die Everio GZ-MC500 von JVC. Hier entfällt das Capturen komplett und die Daten werden vom Datenträger der Kamera über USB in den PC kopiert. Weil das lediglich ein Kopiervorgang ist und kein zeitkritische Capturen, ist die Anbindung über USB nicht hinderlich. Meine oben gemachten Einwände bezüglich dieser Schnittstelle greifen hier also nicht!