Wie viel Pixel braucht der Mensch?

Sind 8-MegaPixel Grund genug zum Wechsel? In den Tagen, an denen ich diese Zeilen schreibe (Sommer 2004), liegt das neue erreichte Ende der Fahnenstange der DigiCams bei 8-MegaPixel. Ist das jetzt genug? Kann man da endlich investieren, oder soll man doch noch warten? Wann lohnt es sich, von der analogen Filmfotografie ins digitale Lager zu wechseln? Ich beschäftige mich nun seit 1984 mit PCs und kann Ihnen sagen, dass es keine konstruktive Schwelle gegeben hat, gibt oder geben wird, die eine Kaufentscheidung rein technisch begründet.

Ich beschäftige mich nun seit 1984 mit PCs und kann Ihnen sagen, dass es keine konstruktive Schwelle gegeben hat, gibt oder geben wird, die eine Kaufentscheidung rein technisch begründet
Einen Kauf sollten Sie dann tätigen, wenn Sie Verwendung für oder Freude an einem solchen Gerät haben, es unmittelbar nach dem Kauf benutzen können und sich nicht zu sehr grämen, wenn Sie beim Verlassen des Geschäfts bereits den Dekorateur im Schaufenster neue Preisauszeichnungen anbringen sehen.

Panta rhei – die Preise in der Unterhaltungsindustrie gehen den Bach runter!

Übertragen auf die Fotografie bedeutet das: Die Tatsache, dass die Entscheidung von Otto Barnack für seine Fotoexperimente auf Kinofilm zurückzugreifen, zu einem seit fast hundert Jahren bestehendem De-Facto-Standard in der analogen Fotografie geführt hat, lässt sich so nicht auf die digitale Welt übertragen.

Die Kosten bei der Sensorherstellung haben zwar bei den Sensoren mehrere mehr oder weniger genormte Größenklassen entstehen lassen, die auch mehr über die Qualitätseinstufung aussagen, als die Pixelzahl allein. Doch die Chipgröße spielt leider in Werbung und Marketing eher eine untergeordnete Rolle und ist meist tief in den Prospekten verborgen. Zudem sind andere Fertigungsparameter nicht minder entscheidend und werden meist gut vor neugierigen Fragen der Käufer verborgen.

Es wird in der digitalen Welt wohl nie den MegaPixel-Wert geben, der dann wie der Kleinbildfilm über Jahrzehnte hinweg zum De-Facto-Standard avancieren wird. Ihr digitales Fotoalbum wird über die Jahre hinweg Bilder in unterschiedlichen Qualitäten aufweisen, und das nicht nur, weil Ihre Kenntnisse zunehmen. Die Auflösung wird weiter im Fluss sein, und Sie werden entweder irgendwann anfangen, digital zu fotografieren, oder Sie lassen es. Für beides gibt es gute Gründe.

Für die digitale Fotografie spricht: Die Bilder sind sofort verfügbar, lassen sich per eMail verschicken, drucken und auf T-Shirts bügeln, wenn Sie wollen. Statt mit Dias quälen Sie Ihre Zuschauer mit multimedialer Langeweile entweder am Computer oder am Fernseher mit mitnahmefreundlicher DVD.

Wenn die Qualität Ihrer Kamera (Sensorgröße) es zulässt, dann können Sie mit einer Filmempfindlichkeit von 100 ASA am Strand fotografieren und beim abendlichen Candle-Light-Dinner auf 800 ASA hochschalten, ohne Film oder Kamaragehäuse zu wechseln. Aber zurück zur Frage: Sind viele Pixel nun immer erstrebenswert, und wo kann man anfangen, gelassener an die Sache heran zu gehen? Im journalistischen Umfeld werden Aufnahmen digitaler Vollformat-DSLR-Kameras mit derzeit bis zu 16-MegaPixel-Auflösung benutzt, um in Wochenmagazinen Doppelseiten zu gestalten. Das wäre dann etwa DIN A3.

Mit Kameras der 4 oder 5 MegaPixel-Klasse sind Sie für ein übliches Amateur-Foto-Leben schon ganz gut gerüstet. (Bei einer DSLR der 3 MegaPixel-Klasse wären Sie einer 4 oder 5 MegaPixel DigiCam sogar überlegen!)

Vergessen Sie bitte auch die theoretisch möglichen Auflösungen eines Kleinbildnegativs (bis zu 25 MegaPixel), wenn Sie nicht grundsätzlich a) für ein einzelnes Objektiv mehr ausgeben, als für die Kamera, Sie b) grundsätzlich mit Stativ fotografieren und zwar c) auf einen Film der 8-Euro-Klasse, den Sie d) in einem Profi-Fachlabor entwickeln lassen. Ein Film vom Grabbeltisch, mit einem Wald-und-Wiesen-Objektiv belichtet und über den Über-Nacht-Express-Service weiterbearbeitet, bleibt bei 5 MegaPixeln stecken. – Basta!

8-MegaPixel sind natürlich zunächst mehr. Mehr an horizontaler Auflösung und mehr an vertikaler Auflösung. Wie viel mehr, überlasse ich Ihren Rechenkünsten; das gängige Seitenverhältnis ist 4:3. Bedenken Sie aber auch, dass diese zusätzlichen Pixel auf einer gleichgroßen Sensorfläche untergebracht werden müssen. Die einzelnen lichtempfindlichen Bereiche werden mit jeder Mega-Generation also immer kleiner. Das wirkt sich dann negativ aus, wenn wenig Licht zur Verfügung steht, Sie also in der Dämmerung fotografieren wollen. Dann nämlich stellen Sie fest, dass mehr Pixel auch mehr rauschen.

Und noch etwas kommt hinzu: Die Generationen neuer Fotosensoren schreiten schneller voran, als die Bereitschaft der Kamerahersteller gleichzieht, diesen Sensoren neue Objektive zu spendieren. Mitunter gibt es Modelle, bei denen der alte Sensor bessere Resultate geliefert hat, einfach, weil die Kombination von Sensor und Objektiv besser harmonierte.

Tipp: Schauen Sie bei ebay rein. Wenn ältere Modelle einen höheren Preis erzielen als das aktuelle Modell des Herstellers, dann hat das Objektiv in der Regel seinen Zenit überschritten!

Heute, da ich diese Zeilen in die Tastatur hacke (Sommer 2004), sind die 8-MegaPixel-Sensoren (bei den DigiCams, nicht bei den DSLR!!) soweit an der Grenze des technisch Machbaren, dass ich mir persönlich lieber eine ältere Generation zulegen würde, deren Verhalten im Grenzbereich weniger kapriziös ist. Nächstes Frühjahr kann diese Einschätzung durch Weiterentwicklung bei den Signalprozessoren bereits wieder überholt sein.

Und wo ist das Fazit? Wenn Sie Lust an der digitalen Fotografie haben, fangen Sie an! Jetzt, unmittelbar! Was es jetzt zu kaufen gibt, ist – sofern es aus seriöser Quelle stammt – durch die Bank nutzbar. Lernen Sie aber damit zu leben, dass es morgen bereits etwas – scheinbar – besseres gibt.

Ein Fotoapparat ist keine Geldanlage (mehr)!

Und vergessen Sie das Anlage-Prinzip. Eine digitale Kamera ist keine Wertanlage, selbst wenn Sie über Ihre finanzielle Schmerzgrenze hinausgegangen sind. Das Ding ist in ein paar Jahren keinen Pfifferling mehr wert, egal welches Markenlogo darauf prangt! (Auch wenn alte Leicas heute bei Versteigerungen Wahnsinnspreise erzielen, wird niemand in 50 Jahren ein entsprechendes digitales Pendant egal welchen LifeStyle-Herstellers haben wollen, für das es keinen Akku mehr gibt!)

Nutzen Sie eine Kamera jetzt! Machen Sie schöne Bilder, die Sie und Ihre Mitmenschen erfreuen! (Und löschen Sie die weniger schönen, damit Sie die wirklich schönen auch wiederfinden!) Erforschen Sie Ihre Leistungsgrenzen und die Ihrer Kamera. Und wenn Sie irgendwann die Lust nach etwas neuerem, besseren und glänzendem packt, kaufen Sie diese Kamera, wenn Sie sich dazu nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen müssen. (Denken Sie daran, eine digitale Kamera ist ein Gebrauchsgegenstand, und keine Investition! – Es sei denn Sie sind die Deutsche Presseagentur und wollen 1.000 DSLR-Gehäuse kaufen; dann sind Sie aber auf diesen Seiten falsch!)

Die alte Kamera können Sie wahlweise Ihrem Enkel überlassen (die sind aber heute auch schon sehr anspruchsvoll) oder ins Auto legen, falls Ihnen einmal beim Rechts abbiegen ein unachtsamer Linksabbieger den Vorrang nimmt…

Und wenn Sie plötzlich meinen, mit Ihren Fotos Lastwagen illustrieren zu müssen, dann sind entweder die 16-MegaPixel einer Profi-DSLR auch nicht ausreichend, oder Sie nutzen den Computer, um zu tricksen, indem Sie sich etwa überlegen, dass niemand das Bild auf dem Sattelzug aus 20 cm Nähe betrachten wird! Denn dann können Sie einfach die Pixel größer machen… (Oder korrekter, durch eine sinnvolle Funktion, etwa Splines, entsprechend interpolieren.)